Teil C Stammgesetze

10Ausschluss abweichenden Landesrechts bei bundesrechtlichen Regelungen53
53Zu Einzelheiten siehe das Gemeinsame Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Justiz vom 30. August 2006 zu den Auswirkungen der Föderalismusreform auf die Vorbereitung von Gesetzentwürfen der Bundesregierung und das Gesetzgebungsverfahren (siehe den gleichlautenden Bericht der Bundesregierung, BR-Drs. 651/06).

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Regelt der Bundesgesetzgeber ohne Zustimmung des Bundesrates die Behördeneinrichtung oder das Verwaltungsverfahren der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit (Artikel 83, 84 Absatz 1 des Grundgesetzes), so können die Länder grundsätzlich davon abweichende landesgesetzliche Regelungen treffen. Verordnungsermächtigungen zugunsten des Bundes, die auch die Befugnis zum Erlass von Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder umfassen, werden dabei als Verfahrensregelungen angesehen.

Der Bund kann das Verwaltungsverfahren der Länder ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln, wenn ausnahmsweise ein besonderes Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung besteht. Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. In der Gesetzesbegründung ist darzustellen, warum ein Ausnahmefall wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung vorliegt (§ 43 Absatz 3 GGO). Bei Regelungen der Behördeneinrichtung (darunter vor allem Aufgabenzuweisungen an bestimmte Landesbehörden) kann das Abweichungsrecht jedoch nicht ausgeschlossen werden.

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Für den Ausschluss einer Abweichungsmöglichkeit der Länder gibt es verschiedene rechtsförmliche Möglichkeiten (Nummer 4 der Anlage 4 zu § 42 Absatz 2 GGO):

  • Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder, für die keine Abweichungsmöglichkeit besteht, sind in einer Schlussvorschrift des jeweiligen Stammgesetzes unter der Überschrift „Ausschluss abweichenden Landesrechts“ zu benennen:

    Von den in den §§ … getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

    Sind hier Verordnungsermächtigungen enthalten und soll auch das danach erlassene Verordnungsrecht abweichungsfest sein, so lautet die Formulierung:

    Von den in den §§ … oder auf ihrer Grundlage getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

  • Ist lediglich eine Vorschrift betroffen, kann der Ausschluss in der betreffenden Norm selbst geregelt werden. Dabei kann auf die Textstelle verwiesen werden, die die verfahrensrechtliche Regelung enthält, oder es kann die verfahrensrechtliche Regelung inhaltlich beschrieben werden:

    Von Absatz/Satz/Nummer … kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

    Von einer Rechtsverordnung nach Absatz/Satz/Nummer … kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

    Von dem Genehmigungsverfahren kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

    Von den Regelungen einer Rechtsverordnung über … kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

  • Auf eine Einzelaufzählung kann in den Ausnahmefällen verzichtet werden, in denen der Ausschluss alle Regelungen zum Verwaltungsverfahren der Länder erfassen soll, die das Stammgesetz enthält. Dann kann in einer Schlussvorschrift des Stammgesetzes unter der Überschrift „Ausschluss abweichenden Landesrechts“ formuliert werden:

    Von den in diesem Gesetz getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

    Sind hier Verordnungsermächtigungen enthalten und soll auch das danach erlassene Verordnungsrecht abweichungsfest sein, so lautet die Formulierung:

    Von den in diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

    Da spätere Gesetzesänderungen zum Verfahrensrecht stets zustimmungsbedürftig wären, wenn diese generelle Ausschlussregelung beibehalten würde, sollte sie sparsam verwendet werden. Es kann vorzugswürdig sein, auch hier alle vom Abweichungsrecht ausgeschlossenen Regelungen einzeln zu nennen, um so spätere Rechtsänderungen zu erleichtern.
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Das Abweichungsrecht muss durch den Bundesgesetzgeber nicht ausgeschlossen werden, wenn eine Verfahrensregelung bereits durch das Recht der Europäischen Union oder Völkerrecht bindend vorgegeben ist und kein Umsetzungsspielraum mehr besteht. Dies ermöglicht ihm, eine supranational oder völkerrechtlich bindend vorgegebene Verfahrensregelung ohne Zustimmung des Bundesrates umzusetzen. Nur das Vertragsgesetz bedarf nach Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrates, wenn der zugrunde liegende völkerrechtliche Vertrag bindende Verfahrensregelungen enthält.

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Hat ein Land eine abweichende Regelung nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes getroffen, dürfen in diesem Land hierauf bezogene spätere bundesgesetzliche Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft treten, soweit nicht – etwa wegen fristgebundener Umsetzung europäischen Rechts – mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist (Artikel 84 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes). Für den Bundesgesetzgeber sind somit drei Möglichkeiten denkbar, das Inkrafttreten solcher Regelungen zu bestimmen:

  • Die Regelungen werden zu einem einheitlichen Zeitpunkt in Kraft gesetzt, der mindestens sechs Monate nach der Verkündung liegt; ggf. bietet sich hierfür ein gespaltenes Inkrafttreten an (Rn. 455 ff., 713, 752). Das ist die einfachste Möglichkeit, da weder nach einzelnen Ländern unterschieden werden muss, noch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist.
  • Die Regelungen werden einheitlich zu einem Zeitpunkt in Kraft gesetzt, der vor Ablauf der 6-Monats-Frist liegt; dies setzt allerdings eine gewisse Eilbedürftigkeit voraus und bedarf der Zustimmung des Bundesrates.
  • Die Regelungen werden für die Länder unter Beachtung der Mindestfrist von sechs Monaten in Kraft gesetzt, in denen abweichende Regelungen getroffen worden sind, für alle anderen Länder wird ein früherer Inkrafttretenszeitpunkt bestimmt. Das Gebot der Rechtsklarheit verlangt hierbei, dass in der Inkrafttretensregelung genau bestimmt wird, welche Regelungen in welchen Ländern zu welchem Zeitpunkt in Kraft treten. Soll das Inkrafttreten in einer solchen Weise aufgespaltet werden, sind die Bundesministerien des Innern und der Justiz frühzeitig zu beteiligen.